Internationaler Botschafteraustausch zwischen Deutschland und Ruanda

Internationaler Botschafteraustausch zwischen Deutschland und Ruanda

Gilbert Muhire, Botschafter des GPENreformation-Netzwerks in Ruanda und aktueller Leiter der Kigali Christian school in Ruanda, besuchte auf Einladung von Pfr. Mark Meinhard, ebenfalls Botschafter im Netzwerk, aktuell Schultheologe an der Wilhelm-Löhe-Schule in Nürnberg, im Oktober 2018 für zwei Wochen Deutschland.

Kennengelernt haben sich die beiden Botschafter auf der Konferenz in Kigali im Jahr 2018 und nach einigen bürokratischen Hürden war schnell klar, dass ein Besuch in Deutschland ermöglicht werden sollte. Besonderer Schwerpunkt dieses Besuches sollte dem Kennenlernen des deutschen, evangelischen Schulwesen dienen.

Wir sind dankbar, dass eine Kollegin aus der WLS Hr. Muhire bei sich privat unterbringen konnte, so dass neben den offiziellen Besuchen ein Eintauchen in das „normale Familienleben“ in Deutschland für kurze Zeit möglich wurde.

Im Vorfeld des Besuches wurde schnell klar, wie groß die Hürden sein würden. Hr. Muhire war noch nie in Europa gewesen, kannte kaum die deutsche Geschichte und wusste fast gar nichts von der Organisation der Bundesländer mit ihrer Bildungshoheit und der Rolle der Gliedkirchen, sowie der Rolle der EKD.

Hr. Meinhard entschied sich deshalb für eine Art „Rundumschlag“ , incl. intensiver Vorbereitung und Erklärung dieser unterschiedlichen Organisations- und Verantwortlichkeitsstrukturen. Realistischerweise muss man wohl festhalten, dass von der Komplexität des Systems her nur ein Bruchteil dessen wirklich aufgenommen werden kann und wahrscheinlich mehr Zeit dafür nötig gewesen wäre.

Dennoch waren viele gute Begegnungen möglich, für die wir sehr dankbar sind. Wir besuchten Bildungseinrichtungen der Diakonie Neuendettelsau (Gymnasium, Realschule und Heilerziehungspflegerschule), trafen dort auf die verantwortlichen Schulleiter*innen und kamen mit den Schüler*innen, bzw. Studentinnen ins Gespräch. Schwerpunkt war das diakonische Engagement der Schulen – ein neuer Blickwinkel für Hr. Muhire, v.a. im Bereich der Altenarbeit und der Arbeit mit Menschen mit Behinderung. Ruanda ist ein Land mit sehr  niedrigem Duchschnittsalter – in Dtl. begegnete Hr. Muhire hingegen viele alte Menschen.

In Nürnberg versuchten wir v.a. die Geschichte des Nationalsozialismus, die Geschichte eines totalitären Regimes und den daraus resultierenden Genozid, besser: Die Shoa zu erklären. Mit Ruanda – als Land mit eigener Genozid-Erfahrung und den aktuellen Bemühungen um Friedenserziehung und Versöhnungsarbeit versuchten wir Vergleiche zu ziehen. Immer wieder begegneten uns auf der Reise Memorials als ein Ausdruck der Bemühungen, Geschichte nicht zu vergessen.

Hr. Muhire hat Pfr. Scheunpflug in Nürnberg treffen können, die als Coucil-Mitglied des GPEN wesentlich zur Entstehung des Netzwerkes beigetragen hat. Hr. Meinhard war es wichtig, dass Hr. Muhire den Windsbacher Knabenchor in einer Mottete erleben kann. Eine kirchliche Einrichtung mit Internat, die einen Spitzenchor hervorgebracht hat. Auch das gehört wesentlich zu evangelischer Bildung.

Mit dem Besuch in der EKD in Hannover lernte Hr. Muhire ansatzweise die Struktur der EKD kennen und traf natürlich auf Verantwortliche der Bildungsabteilung, dort speziell natürlich die Akteure von GEPN.

Von Hannover aus besuchten wir in Hildesheim das Andreanum – eine heute evangelische Bildungseinrichtung, aber bereits 1225 gegründet. In Nürnberg konnten wir mit Studierenden der Evangelischen Hochschule reden und ein Seminar besuchen und natürlich die Wilhelm-Löhe-Schule und ihre verantwortlichen Akteure treffen.

Das „Evangelisches Schulzentrum Berlin“ mit seinem völlig anderen pädagogischen Ansatz, sowie das „Evangelische Schulzentrum Leizpig“ – in einem fast völlig säkularen Umfeld rundeten die Tour durch ein evangelisches Deutschland – mit Schwerpunkt Bildungsarbeit – ab.

Wir sind danbkar für alle Schulleiter*innen und Schüler*innen und alle anderen Akteure, die sich die Zeit für Gespräche und Besuche genommen haben. Denn es bleibt bei dieser alten Wahrheit: Nur durch Begegnung ist Verstehen möglich. Begegnung aber braucht Zeit und Menschen, die bereit sind, sich darauf einzulassen.

Der Besuch von Hr. Muhire hat unser beider Horizont erweitert – wir haben viel voneinander gelernt. Ein Wissen übrigens, welches nicht sofort „verzweckt“ werden kann – wenig von dem, was Hr. Muhire hier gesehen hat, wird er sofort in Ruanda einsetzen können, sondern ein Wissen, das tieferes Verständnis füreinander fördert, auf eigene Probleme eine anderes Licht wirft und nicht zuletzt die eigene Position klarer erkennen hilft.

Dies ist – für mich – im idealen Sinne immer auch evangelische Bildung: Eine Bildung, die sich um das Gegenüber bemüht, zugewandt und interessiert – bereit, sich selbst korrigieren zu lassen.

Wir sind dankbar für den Besuch von Hr. Muhire und freuen uns über alle Begegnung, die in dieser oder ähnlicher Weise geschehen kann.

 

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