Theodor-Fliedner-Gymnasium

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Video-Link: https://youtu.be/2ytgOBQBIyc

Bericht über unsere Teilnahme an der Weltausstellung „Tore der Freiheit“ in Wittenberg mit unserem Musiktheaterprojekt

von        Thomas Gerhold, Madlen Pieles und Dr. Hans-Peter Schulz (Teil I und II), Dr. Hans-Peter Schulz (Teil III und IV)

Der Ausgangspunkt des Projektes liegt in der Ausformulierung von zehn Thesen durch die Theater-AG, die 2015 in Wittenberg vorgestellt worden sind und uns knapp zwei Jahre später an die Tür geführt hat, an die Luthers berühmte 95 Thesen angeschlagen worden sind, an die Tore der Schlosskirche in Wittenberg.

Theater-AG des Theodor-Fliedner-Gymnasiums in Düsseldorf-Kaiserswerth in Vorbereitung des DEKT Wittenberg/Berlin und für die Weltausstellung Tore der Freiheit in Wittenberg

  1. In einer guten Welt finden alle zu einander.
  2. Die Kirche muss sich erneuern, weil wir nicht rituell behandelt werden möchten, wir wollen den Gottesdienst als wirklichen Dialog erleben. Lest nicht ab, sprecht über den Glauben.
  3. Die Kirche muss sich erneuern und soll zeitgemäße und altersgerechte Musik spielen, soll englische Lieder singen; wir wollen im Gottesdienst vorkommen.
  4. Die Kirche muss sich erneuern, weil die Bibel im Alltag keine Rolle mehr spielt.
  5. Die Kirche muss sich erneuern, weil die Bibeltexte aktuell und alltäglich (neu) erzählt werden sollen.
  6. Die Kirche muss sich erneuern, wir werden seltsam angesehen, wenn wir über unseren Glauben sprechen, als wären wir aus „einem Gestern“.
  7. Eine gute Kirche stellt sich auf ihre Jugendlichen ein: veröffentlicht einen Kirchenjahr-kalender für Jugendliche, der Bezug zum Leben der Jugendlichen hat.
  8. Ein gute Schule verjüngt die Kirche.
  9. Wir suchen die Wahrheit der Bibeltexte.
  10. Wir wollen eine spielerische Kirche, die die Bibel aktuell (auch) auf die Bühne bringt.

Wir, d.h. Pfr. Gerhold (Kirchengemeinde Ratingen), Madlen Pieles und Dr. Hans-Peter Schulz (Theodor-Fliedner-Gymnasium der EKiR), haben den Impuls der Thesen aufgenommen und unterstützt durch den Ev. KK Düsseldorf-Mettmann haben wir mit fast 40 Jugendlichen im Alter von 14 – 18 Jahren ein Ensemble begründet. Dabei ist ein Musiktheaterprojekt in protestantischer Tradition entstanden. Die Schülerinnen und Schüler haben Geschichten der Bibel in insgesamt sechs Szenen neu erzählt. Auf diese Weise haben sie sich quasi ein zweites Mal auf Luthers Spuren begeben und biblische Geschichten in gegenwärtige Erzählungen und ihre eigenen Erfahrungen übersetzt.

 

einfach lebendig: Geschichten der Bibel neu erzählt

Titel der Szene Moderne Fragestellung und Szene Bezug zur Bibelstelle
Höllenfahrt

Die Hölle, äh, das Reich des Todes

Ausgehend von der Frage des mittelalterlichen Menschen: Was hat Jesus, „der hinabgestiegen ist in das Reich des Todes“, dort erlebt? (apostolisches Glaubensbekenntnis)
Jesu Versuchung

Komm, nur einmal

Wer versucht heute wen, welche Versuchung gilt in der Erlebnisgesellschaft? Mt. 4, 1-11

 

Reinheitsgebot

Gutes Essen, armes Tier

Restaurant: Kann massenhaft hergestellte Nahrung mit Vorstellungen von Reinheit verbunden werden? (Markus 7, 1ff.)
Karfreitag Multikulturelle Feiertage oder… Hat die Befreiung von einschränkenden Geboten und Verordnungen einen freiheitlichen, emanzipatorischen Grundtenor? Tanzverbot an Karfreitag (Traditionspflege)
Friede sei mit euch

Du Opfer, du Christ

Eine Kirche zu betreten kann als ein Menschenrecht verstanden werden! (Joh. 19ff.)
Seligpreisungen

oder die Frage nach dem guten Leben

Sollte ein Mobbingopfer zur

„Feindesliebe“ angehalten werden?

(Die Bergpredigt, Mat. 5,1–7,29)

 

Unsere Teilnahme an der Weltausstellung „Tore der Freiheit“ in Wittenberg hat vom 10. bis zum 13.7. 2017 stattgefunden und ihren Höhepunkt in der Aufführung des Stückes 12.7.2017 im talents’tent – Bildung weltweit (Tor 3: Ökumene und Religion) gefunden. Nach Auftritten in Ratingen, Düsseldorf und Hilden sowie der Teilnahme am DEKT hat unser Programm einen besonderen Abschluss gefunden. Wittenberg hat für die Jugendlichen ganz im Zeichen der Feierlichkeiten gestanden. Der Ort ist ihnen durch eine historische Stadtführung näher gekommen und neben den Proben in Räumen der dortigen Ev. Kirchengemeinde hat sich Zeit für eine Kanutour gefunden.

  1. Reformatorischer und religiöser Impuls

Die Erarbeitung der sechs Szenen hat im Juni 2016 in Ratingen begonnen und die Gruppe hat über vier Workshops (in Olpe, Elkhausen, Berlin-Wannsee und Wittenberg) sowie durch die Begegnung mit der ghanaischen Musiktheatergruppe in Berlin in acht Auftritten die Szenen immer wieder variiert und anders erfahren. Die Jugendlichen haben die Stücke selber erarbeitet, mit der Gesamtgruppe reflektiert und am Ende mit Überzeugung aufgeführt. In einigen Szenen hat Jesus als „Gestalt“ eine zentrale Rolle gespielt und ist vielfach verkörpert worden; ebenso haben die Jugendlichen „das Böse und Gute“ personifiziert und in die Szenen darstellerisch miteinbezogen: konkrete Erfahrung schienen dabei das unausgesprochene Motto zu sein.

Die gemeinsame Abendrunde mit Gebet, Gesang und Nachtsegen während all’ der Treffen ist vielen Jugendlichen erst fremd gewesen, hat der Gruppe aber Orientierung und einen spirituellen Anker über das Jahr hinweg gegeben.

 

III. Teilnahme am Thementag und Eröffnung der Themenwoche Bildung am 14.6.2017 in Wittenberg – Perspektiven     

Auf Einladung der Bildungsabteilung der EKD habe ich an dem Thementag teilgenommen und unser Projekt dort (gemeinsam mit Herrn Oberkirchenrat Klaus Eberl, EKiR) vorgestellt. Die anschließende Arbeitsgruppe hat über konzeptionelle Ansätze kultureller Bildungsarbeit im Rahmen der Evangelischen Kirche in Deutschland gesprochen und ich habe für die „zweite Konsultation kulturelle Bildung“ (am 2.11.2017 in der Bundesakademie für Kirche und Diakonie, Berlin) einen perspektivischen Vorschlag unterbreitet.

Kulturelle Bildung an der Kippe zwischen konkreten Projekten und konzeptioneller Reflexion

Ich möchte anregen, eine Fachtagung mit Aufführungen unterschiedlicher evangelischer Einrichtungen zu verbinden und glaube, dass ein lebendiger Austausch an der spannenden Umschlagstelle von konzeptioneller Arbeit und konkreter ästhetischer bzw. kultureller Praxis inklusive der theoretischen Reflexion möglich wäre. An einer solchen Veranstaltung würde ich gerne mit Jugendlichen teilnehmen und kann mir eine beidseitig gewinnbringende Zusammenarbeit vorstellen. Machbar wäre dies z. B., wenn Aufführungen besucht und im Rahmen – wiederum z.B. – eines Hochschulseminars reflektiert würden. Es eröffnete sich dabei u.a. die Chance qualitativer Interviews, deren Auswertung eine zusätzliche Grundlage kultureller Konzeptionen für unsere kirchliche Bildungsarbeit eröffnen würde.

  1. Die (noch) vorhandenen Strukturen der Kirche auf allen Ebenen nutzen und verbinden

Die Kooperation zwischen der Ev. Kirchengemeinde und dem landeskirchlichen Theodor-Fliedner-Gymnasium hat vor allem durch Unterstützung des Ev. Kirchenkreises Düsseldorf-Mettmann mögliche Ansätze aufgezeigt, wie eine Kooperation der vier kirchlichen Strukturebenen (von der Kirchengemeinde zur EKD) neue Formen der Arbeit eröffnet, die zumindest regional „Kirche“ nach außen vertreten kann. Davon werden auf längere Sicht nicht nur die Jugendlichen der Musiktheater-AG profitieren, sondern sie könnte sich auch an dem entstehenden Netzwerke kultureller Bildungsarbeit beteiligen. Auf der Basis der EKD-Initiative ist auf dem Global schools500reformation Day beschlossen worden, diese Initiative als konkretes Reformationsprojekt in das neue „Global Pedagogical Network – Joining in Reformation“ umzuwandeln: das ist doch „etwas“.

 

Leitungsteam

Dr. Hans Peter Schulz:  Leiter der Theater-AG am Theodor-Fliedner-Gymnasium, Lehrer für Deutsch. Pädagogik und Literatur, Mitglied der Landessynode der EKiR.

Madlen Pieles: musikalische Leiterin des Musiktheaters am Theodor-Fliedner-Gymnasium, Lehrerin für Musik und Englisch, Orchesterleiterin.

Pastor Thomas Gerhold: Pfarrer in der Evangelischen Kirchengemeinde Ratingen, verantwortlich für die theologische und spirituelle Ausrichtung des Projektes.