Liebe Brüder und Schwestern in Christus,
„Bleiben Sie gesund!“ tönt es zum Abschied in Deutschland gerade oft. „Bleib gesund!“ schreiben Arbeitskollegen und Freunde. Eine neue Corona-Zeiten-Redewendung ist entstanden. Was sagen sich die Menschen bei euch in Afrika, Asien, Süd- und Nordamerika, in Australien?
Mich irritiert diese Redewendung, die in Deutschland gerade so häufig am Ende eines Gesprächs verwendet wird.
Die aktive Verbform – eine Befehlsform – verrät Hintergründiges: Nämlich, dass wir so tun, als könnten wir unsere Gesundheit formen. Als hätte ein Mensch die Macht zu bestimmen, ob der Covid-19-Virus ihn oder sie erkranken lässt oder nicht. Als sei Gesundheit etwas, das gesellschaftlich dazugehört, weil Krankheit ja stört und bedroht.
Unstrittig trägt Verhalten zu den Ausbreitungsmöglichkeiten von Krankheitserregern bei. Aber letztlich bleibt Gesundheit für uns unverfügbar und ein Geschenk. „Bleiben Sie gesund“ ignoriert diese Unverfügbarkeit. Steht dahinter eine Sehnsucht nach Gesundheit oder eine Ignoranz der ökonomisierten Welt gegenüber der Tatsache, dass unser Leben nicht nur durch Selbstbestimmung, sondern auch durch Zerbrechlichkeit geprägt ist?
In den gutgemeinten Wünschen an andere, die diese seltsame Befehlsform nutzen, schimmert die Ignoranz gegenüber der Zerbrechlichkeit des Lebens durch. Denn sprachlich ist es ein Befehl: „Bleib gesund oder bleiben Sie gesund!“ Sehr seltsam…
Ich ahne: Wir würden einander ehrlicher begegnen, all den Ängsten und Sorgen, die viele von uns bewegen, gerechter werden, wenn unsere Grüße an andere mehr wie ein Segenswunsch formuliert wären:
„Mögest du gesund bleiben! Hoffentlich bleibt ihr gesund!“.
Denn letztlich spüren wir doch gerade jetzt wieder, dass unsere Existenz, unsere je einmalige Person ein Wunder ist:
Zerbrechlich und doch von Gott umgeben,
hineingeworfen in den Fluss der Zeit und doch genau dadurch zum Ziel geschwemmt,
sehnsüchtig nach mehr Leben und genau deshalb so schnell angstvoll rücksichtslos.
„Hoffentlich bleibst du gesund“, antwortete ich immer. „Und falls nicht, dann dennoch behütet!“, denke ich. Denn nicht die Gesundheit selber ist schon das Leben. Sie vereinfacht es. Aber sie ist nicht dessen Essenz.
Sie ist süß und verführerisch wie eine reife, geschälte Mango oder eine Sommeraprikose. Aber sie bleibt vergänglich, zerbrechlich und am Ende unverfügbar. Sie ermöglicht uns, selbstwirksam zu handeln und vieles zu bewegen. Sie ermöglicht uns die Freude, anderen zu begegnen. Aber sie bleibt eine Sondergabe für einige Jahre unseres Lebens. Dann müssen wir lernen, auch mit weniger Gesundheit und Spuren der Zerbrechlichkeit in uns dankbar und hoffnungsfroh jeden neuen Tag zu begrüßen. So wie die singenden Vögel am Morgen.
Herzlich
OKRin Dr. Birgit Sendler-Koschel
Leiterin der Bildungsabteilung
Evangelische Kirche in Deutschland
und
Rätin von GPENreformation
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Thank you Dr Birgit for this message of hope. I wish you all stay healthy in this COVID 19 pandemic period.
Thank you for sharing the letter of hope.
May God bless you.